Die Gründerin von FIVE Skincare teilt ihre E-Commerce Erfahrungen
„Keine Creme sollte mehr Inhaltsstoffe haben, als du an einer Hand abzählen kannst.“ Dies war Bedingung, als die Schweizerin Anna Pfeiffer ihre vegane Naturkosmetikmarke FIVE Skincare entwickelte. Sie wollte die besten natürlichen Produkte mit maximal 5 Inhaltsstoffen kreieren und damit Kosmetik für jede*n verständlich machen. Im September 2017 hatte sie einen erfolgreichen Auftritt in der TV-Show "Die Höhle der Löwen", der ihr und der Marke zu einer großen Bekanntheit verhalf. Im Interview hat sie uns verraten, was danach passiert ist, wie es überhaupt zu FIVE kam und wie der Arbeitsalltag einer Unternehmerin aussieht. Zudem hat sie interessante Einblicke in das E-Commerce Business gegeben und ihre 3 ultimativen Tipps für angehende Gründer*innen verraten.
Anna, was hat dich motiviert, dein Unternehmen zu gründen?
Vor der Gründung von FIVE war ich als selbstständige Grafikerin tätig, verlor aber immer mehr das Interesse an meinem Beruf. Ich verspürte den Wunsch, etwas Komplexes und Eigenständiges auf die Beine zu stellen, bei dem ich meine doch recht breit aufgestellten Fähigkeiten besser einbringen konnte. Während einer Auszeit wollte ich mich dann um meine empfindliche Haut kümmern. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich von Hautpflege keine Ahnung und war von den blumigen und überrissenen Beauty-Versprechen schlicht überfordert. Die austauschbaren Marken und die endlos langen Listen der Inhaltsstoffe machten die Produktwahl nicht einfacher. Schlussendlich ist FIVE aus meinem eigenen Bedürfnis nach einer verständlichen und natürlichen Hautpflegelinie entstanden. Als sich die finale Idee in meinem Kopf herauskristallisierte, gab es für mich kein Halten mehr.
Was ist das Erfolgskonzept von FIVE und warum denkst du, kaufen Kunden dein Produkt bzw. in deinem Onlineshop?
Unser Erfolgsrezept ist die schon fast dogmatische Positionierung, Naturkosmetik mit maximal fünf Inhaltsstoffen pro Produkt anzubieten. Unsere Story ist dadurch sehr einfach zu erzählen. Ein weiteres Plus ist unser einprägsamer visueller Auftritt mit der markanten FIVE-Marke und den blauen Flaschen. Mir war zu Beginn weg klar, dass wir uns von anderen Brands abheben müssen, um überhaupt unser Plätzchen in dem sehr hart umkämpften Markt zu finden.
Was benötigt es aus deiner Sicht, um erfolgreich einen Onlineshop bzw. ein E-Commerce Business zu betreiben und welches Wissen bzw. welche Fähigkeiten sollte man mitbringen?
Ich glaube es wird immer schwieriger in diesem Bereich, denn die Konkurrenz schläft nicht. Gleichzeitig benötigt man weniger Kapital, dafür alles Mögliche technische Anbindungen bestehen. Die Pioniere im E-Commerce mussten hier noch sehr viel Geld in die Hand nehmen, während wir mit ein paar Klicks eine App installieren. Es bringt also Vor- und Nachteile mit sich jetzt einzusteigen. Heute ist es möglich, einfach mit einem Onlineshop zu starten und zu schauen, wie weit man kommt. Mitbringen sollte man auf jeden Fall Geduld und den Willen, sich in grundlegende technische Themen einzuarbeiten, damit man nicht alles outsourcen muss. Wenn man beides nicht hat, dann benötigt man viel Kapital, denn schnelles Wachstum und externe Partner verschlingen viel Geld.
Du bist Sologründerin und hast dein Unternehmen ganz alleine aufgebaut. Würdest du es nochmal genauso machen oder siehst du auch Nachteile darin?
Ich stehe zwar im Rampenlicht bei FIVE, bin aber nicht ganz Sologründerin. Mein Partner Felix ist ebenso Teilhaber am Unternehmen und hat mich vor allem in der Anfangszeit intensiv beraten. Wir haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten und gerade der wirtschaftliche Hintergrund musste ich zuerst lernen. Nichtsdestotrotz war die Verantwortung immer ganz eindeutig in meinen Händen und ich finde es gut, dass wir diese klare Aufteilung hatten. Für mich war es ein Vorteil, mehrheitlich eigenverantwortlich zu gründen und FIVE aufzubauen, das kommt aber sehr auf die Persönlichkeit an. Der Aufbau eines Unternehmens verläuft in Wellen, mal läuft es nach Plan, dann weniger und es ist nicht immer einfach, sich selbst zu motivieren für diesen Marathon. Da wäre es von Vorteil, wenn sich mehrere Gründer*innen untereinander gegenseitig anspornen können. Gleichzeitig habe ich durch meinen Weg alle Freiheiten, die man sich vorstellen kann. Über meine Zeit kann ich völlig frei verfügen. Das ist mir sehr wichtig und deshalb passt der Soloweg für mich.
Wieviel Startkapital benötigt es zum Start und welche Kosten unterschätzt man am meisten?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich stellt sich immer die Frage, ob man organisch wachsen will oder ob es schneller gehen muss. Daraus lassen sich komplett unterschiedliche Szenarien für das Startkapital ableiten. Das schnelle Wachstum bedingt ein hohes Marketing- und Personalbudget, während das organische Wachstum schneller, wenn auch auf einem tiefen Niveau, kostendeckend werden kann.
Wo hast du dir Hilfe und Unterstützung geholt, wenn du nicht weiter wusstest?
Wenn ich nicht weiter weiß, und das kommt heute noch sehr oft vor, dann versuche ich immer zuerst zu recherchieren. Manchmal kann es tagelang dauern, bis sich eine Lösung abzeichnet. Ich persönlich bin eher der Typ Mensch, der sich dann festbeißt und gräbt, bis das Problem gelöst ist. Weniger oft frage ich bei anderen nach, das muss ich noch lernen.
Wie schaffst du es, die richtige Balance zwischen nachhaltigem Unternehmertum und einem erfolgreichen Wachstum zu finden, ohne deine Prinzipien und Unternehmenswerte dabei aus den Augen zu verlieren?
Das ist für mich weniger die Entweder-oder-Frage, Nachhaltigkeit ist bei uns integraler Bestandteil. Ich glaube, dass sich Umweltbewusstsein und Unternehmertum nicht ausschließen müssen, sondern sich sogar Chancen bieten können. Wichtig ist, dass man es von Beginn weg einkalkuliert. Manchmal kann eine nachhaltige Lösung sogar Kosten einsparen. Wir zum Beispiel haben keine Faltschachteln um unsere Glasflaschen, da diese nach dem Auspacken meist sofort entsorgt werden. Dadurch sparen wir aber auch die Kosten für die Herstellung dieser Verpackung. Natürlich gibt es aber auch Szenarien, bei denen ein Interessenkonflikt entsteht. Vor einem guten Jahr haben wir in der Schweiz angefangen, unsere Naturkosmetik auf Wunsch in einer Mehrwegbox zu versenden. Das Management der Box inkl. Reinigung wird von einem externen Partner übernommen und wir zahlen für jede Box einen Betrag, den wir unseren Kund*innen nicht weiter verrechnen. Dies, weil wir nicht möchten, dass das Angebot weniger genutzt wird. Wir wollen diesen nachhaltigen Weg gehen, können uns die dadurch entstehenden Einbußen aber nur leisten, solange der Deckungsbeitrag auf dem Warenkorb stimmt. Deshalb ist es wichtig, dass man von Beginn weg Reserven für solch ungeplante Anpassungen mit eingerechnet.
Welche Shop-Software verwendest du und welche Software bzw. Apps sind empfehlenswert?
Unsere Shops laufen mit Shopify und ich bin sehr zufrieden mit der Lösung. Bezüglich Apps muss man für die eigenen Bedürfnisse herausfinden, was man tatsächlich benötigt. Ich hatte zu Beginn viel zu viele Applikation und habe diese über die Jahre auf die nötigsten reduziert. Dies, weil sie den Shop verlangsamen können und nicht immer sind die strengen Datenschutzrichtlinien eingehalten, was zu Problemen führen kann.
Viele Gründer haben nicht das große Marketingbudget. Mit welchen Marketingmaßnahmen bist du gestartet und welche würdest du anderen zu Beginn empfehlen?
Gestartet sind wir mit der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“. Dies hat für einen mächtigen Bekanntheitsschub gleich zu Beginn gesorgt, der für uns ein Segen war. Danach habe ich Einiges ausprobiert und das Meiste wieder aufgegeben. Da wir FIVE ohne Investorenkapital aufbauen, müssen Ausgaben im Marketing bald darauf wieder eingespielt werden. Klassische PR über eine Agentur zum Beispiel hat für uns nicht funktioniert, da wir uns eine solch langfristige Investition in den Markenaufbau gar nicht finanzieren konnten. Generell ist meine Erfahrung, dass man bei jedem Angebot zweimal überlegen sollte, ob man sich das leisten kann und sollte. Ich denke, dass es sinnvoll ist, die Kompetenzen in diesem Bereich inhouse aufzubauen und nicht in die Hände externer Agenturen zu geben. Sehr gute Erfahrungen haben wir jedoch mit Blogartikeln ( SEO) gemacht. Generell will ich den Content-Bereich weiter ausbauen. Was man zudem nicht unterschätzen sollte, sind Empfehlungen von begeisterten Kundi*innen. Wir legen dafür sehr viel Wert auf einen guten Support und das zahlt sich aus.
Machst du die Logistik selbst oder wann lohnt es sich, den Versand und die Lagerung extern auszulagern?
Für mich war von Anfang an klar, dass ich möglichst viel auslagern möchte. Nach nun gut drei Jahren Erfahrung mit externen Logistikern sehe ich das nicht mehr ganz so eindeutig und wir liebäugeln in der Schweiz damit, etwas Eigenes aufzubauen. Eine externe Logistik ist eine große Erleichterung. Man muss sich aber bewusst sein, dass sehr viel an Individualisierung verloren geht. Oft sind wir nicht in der Lage, einfache Kundenwünsche zu erfüllen, da wir zu wenig in den Logistikprozess eingreifen können. Dies passt nicht ganz zu meiner Philosophie, alles für unsere Kundinnen zu ermöglichen.
Eine große finanzielle Herausforderung für Gründer ist der Waren- bzw. Materialeinkauf. Wie stellst du sicher, dass du genügend Liquidität hast und die Ware anbietest, die deine Kunden wünschen bzw. kaufen?
Tatsächlich stellte mich dies vor große Herausforderungen. Schlussendlich konnten wir die Finanzierung über einen verbürgten Bankkredit sicherstellen. Bezüglich Lagerbestandsmanagement sind gute Statistiken und Prognosen zwingend. Ich bin sehr froh, dass wir erst fünf Produkte haben, das macht das Ganze besser überschaubar.
Wie sieht dein Alltag als Online-Unternehmerin aus?
Meine Arbeitstage sind wenig strukturiert, ich bin nicht so sehr der Routine-Typ. Ich arbeite nach wie vor in einem CoWorking Space ohne fixen Arbeitsplatz. (Aktuell wegen Corona im Home Office). Auch meine Mitarbeiterin für den Support arbeitet von zu Hause aus. Die Produktion und die Logistik finden extern statt. Meine Aufgaben sind vielfältig, was mir gefällt. Morgens und auch immer wieder zwischendurch arbeite ich die operativen E -Mails zu Bestellungen und Logistik ab, die eine schnelle Antwort erfordern. Dazwischen beschäftige ich mich mit Reporting und Controlling, Planung der Produktionen und Warenbeschaffung, Briefings für Blogartikel, Social Media, Optimierungen am Shop, GoogleAds, Interviews etc.
Du warst 2017 in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ zu sehen und bekamst auch ein Angebot von Judith Williams. War das der Zeitpunkt als du dachtest: “Jetzt habe ich es geschafft, jetzt bin ich erfolgreich!”? Oder wie ging es danach weiter?
Zwischen der Aufzeichnung und der Ausstrahlung lag ein halbes Jahr. Beide Abschnitte habe ich als sehr positiv, aber auch intensiv in Erinnerung. Direkt nach der Aufzeichnung und dem Angebot von Judith sind wir in die Verhandlungen gestartet. Wir konnten uns jedoch nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen und deshalb beschloss ich, FIVE ohne die Unterstützung von ihr aufzubauen. In den Monaten bis zur Ausstrahlung war ich demnach sehr beschäftigt mit der Produktion unserer Naturkosmetik, mit dem Launch der Shops und der Prozessautomatisierung für die Logistik. Wir sind tatsächlich erst rund zwei Wochen vor der Show mit dem Onlineshop in Deutschland und Österreich live gegangen. Der Shop in der Schweiz stand zu diesem Zeitpunkt schon. Die Ausstrahlung war dann die Feuerprobe. Ich hatte nie das Gefühl von “jetzt hast du es geschafft”, weil ich wusste, dass es Jahre dauern würde, bis wir bekannt und erfolgreich sein werden. Außerdem war zu diesem Zeitpunkt die Finanzierung noch nicht gesichert und musste erstmals in trockene Tücher gebracht werden. Das erste Mal etwas entspannter war ich erst, als wir einige Zeit später die Gewinnschwelle erreicht hatten, also unsere Umsätze höher als die Kosten waren. Die Teilnahme an der Show für mich persönlich ein prägendes Erlebnis. Es war eine positive Erfahrung, die mir gezeigt hat, dass ich unter großem Druck sehr gut funktionieren kann.
Wie sehen die weiteren Pläne für FIVE aus und was möchtest du mit deinem Unternehmen noch erreichen?
Wir wollen FIVE weiterhin möglichst organisch und nachhaltig aufbauen und bei den Menschen bekannter werden. Den Fokus setze ich dabei auf Inhalte, die auch wirklich einen Mehrwert bringen. Zudem soll das Sortiment um weitere Produkte ausgebaut werden.
Welche drei ultimativen Tipps kannst du angehenden Gründer*innen und Onlineshop-Betreibern mit auf den Weg geben?
1. Sucht euch fertige Shop-Lösungen und Applikationen und ändert daran nur das Notwendigste. Grund: Individualisierung ist sehr kostspielig und lässt sich schwer updaten. Zudem macht man zu Beginn alles etwa dreimal, bis man die für sich passende Lösung gefunden hat. Hier heißt es so agil wie möglich zu bleiben.
2. Auch wenn die Herstellungs- oder Anschaffungskosten höher sind, lasst eher kleine Mengen eures eigenen Produktes herstellen oder kauft weniger ein. Grund: Ohne Erfahrungswerte lässt sich kaum abschätzen, wie viel man von dem jeweiligen Artikel verkauft. Im schlimmsten Fall bleibt man auf Tausenden abgelaufenen Produkten sitzen. Es ist besser, erstmal im Kleinen zu scheitern und aus diesen Fehlern für größere Bestellungen zu lernen.
3. Gebt euch viel Zeit. Grund: Viele Maßnahmen greifen nicht sogleich, der Erfolg kommt mit der Zeit. So performen zum Beispiel unsere Blogartikel erst einige Monate nach der Veröffentlichung gut. Meine Buchhalterin meinte einmal, dass ein Unternehmen fünf Jahre benötigt, um aus dem Gröbsten herauszukommen. Ich glaube, die Zahl mag im Durchschnitt gut stimmen.
Vielen Dank für das aufschlussreiche und sehr interessante Interview, Anna!
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Fotos: © FIVE / Ladina Bischof / Anna Pfeiffer